Asterix, Maus, Prinz Eisenherz und Co.– Geschichte im Comic

Geschichte im Comic: kleine Auswahl an Comics mit Geschichtsbezug.

Gezeichnete Geschichte

Erfreulicherweise wächst in Deutschland mittlerweile das Angebot an Comics. Entsprechende Auslagen im Presseshop am Bahnhof fristen kein Nischendasein mehr. Auch die Einschätzung, dass es sich bei Comics in erster Linie um ein Medium für Kinder und Jugendliche handelt, das schlichte und oberflächliche Geschichten erzählt, scheint zu bröckeln.1 Vielen Comics lässt sich eine gewisse Belanglosigkeit – was nicht, so der „klassische“ Vorwurf gegen Comics, mit einer Verdummung der Leser gleichzusetzen ist – bescheinigen. Allerdings existieren genügend komplexe und anspruchsvolle Comics, die die verallgemeinernde Einschätzung widerlegen.2

Viele Comics transportieren auf unterschiedliche Art und Weise einen historischen Inhalt, mal vielschichtig, mal relativ simpel. Es sind gewissermaßen Geschichtscomics. Dazu eine kleine, unvollständige Auswahl: Die Universität Basel veröffentlichte zu ihrem 550. Geburtstag einen Comic – Unsere Universität –, der die Gründungsgeschichte der altehrwürdigen Hochschule erzählt. Die Allianz sponserte etwa zwanzig Jahre lang die Comicreihe Max und Luzie, in der die beiden namensgebenden Kinder gemeinsam mit einem chaotischen Erfinder durch die verschiedenen Epochen der Menschheitsgeschichte reisen. In Alpha: Directions werden gleich mehrere Milliarden Jahre Geschichte höchst eindrucksvoll abgehandelt. Etwas weniger umfassend dafür umso witziger ist The Cartoon History of the Universe. Auch Comic-Biografien gibt es, etwa zu Johnny Cash oder Nick Cave. Doch was macht einen Comic zu einem Geschichtscomic? Reicht dafür das bloße Auftreten einer historischen Persönlichkeit, oder ist die Auseinandersetzung von Autor und Zeichner mit der historischen Materie ausschlaggebend für diese Kategorisierung? Hal Foster z. B., der Schöpfer von Prinz Eisenherz, stand in den vier Jahrzehnten, in denen er an dem Comic arbeitete, in ständigem Kontakt mit Forschern, um der Serie möglichst viel Authentizität zu verleihen.3

Arten von Geschichtscomics

Der Germanist und Historiker Bernd Dolle-Weinkauff schlägt eine Unterscheidung in drei Arten von Geschichtscomics vor. Als erste Gruppe nennt Dolle-Weinkauff Fiktionen, bei der Geschichte lediglich als Dekor genutzt wird. Berühmtestes Beispiel hierfür dürfte wohl der Gallier Asterix sein. Bei dessen Abenteuern werden historische Versatzstücke verwendet, die im Zusammenspiel mit Anachronismen, wie etwa im Stau stehende Touristenmassen, als „Gaglieferant“ dienen. Die zweite Gruppe umfasst Comics, die einen historisch dokumentarischen Anspruch besitzen, oft verbunden mit einer bestimmten Intention. Dazu zählt z. B. Art Spiegelmanns Maus, der den Holocaust und die Erinnerung daran dokumentiert. Spiegelmann: „I need to show the events and memory of the Holocaust without showing them. I want to show the masking of these events in their representation.“4

Die dritte Gruppe umfasst Comics, die in ihrem Stil historischen Romanen ähneln: Frei erfundene Geschichten werden in einer (pseudo-)historischen Epoche angesiedelt, wie beispielsweise der eingangs erwähnte Prinz Eisenherz von Hal Foster. Die Geschichte spielt hier im 5. Jahrhundert, obwohl das Setting eher dem Hochmittelalter entsprungen zu sein scheint. Natürlich ist dies nur eine von vielen Kategorisierungsversuchen und es existieren dabei keine festen Grenzen, dafür aber zahlreiche Mischformen.5

Komplexe Herausforderung

Comicautoren beziehungsweise -zeichner von historisierenden Comics stehen im Allgemeinen vor der Herausforderung, einen historischen Sachverhalt, der teilweise auch noch dem Leser bekannt ist, als geschlossene Geschichte zu präsentieren. Es geht also in der Regel nicht darum, neue historische Erkenntnisse zu vermitteln, sondern „Geschichte“ spannend zu erzählen. Schließlich soll ein Comic vor allem unterhalten. Die Bildungsfunktion ist meistens zweitrangig. Nichtsdestotrotz können Comics zur Verbreitung von historischen Kenntnissen beitragen und durchaus eine pädagogische Wirkung erzielen.6

Und sie funktionieren natürlich auch als unterhaltsames Werbemittel. Unternehmen können Geschichtscomics nutzen, um ihre Gründungsgeschichte, frühe Persönlichkeiten oder wichtigen Erfindungen zu präsentieren. Gestalterisch sind kaum Grenzen gesetzt.

Geschichte im Comic: Archis bei der Arbeit: Dr. Meal, Miss Birdie und Rasnag.

(Auch über die Arbeit von N&K-Archivaren lässt sich ein Comic gestalten.)

Geschichte in Wort und Bild

Wichtig: Der Leser muss sich in die erzählte Geschichte hineinversetzen können. Es geht nicht um das Wissen, um die Ereignisse, sondern um das Erleben der Ereignisse.7

Im Unterschied zur Geschichtsschreibung wird im Comic Geschichte in Bildern erklärt und umgesetzt, die keine authentische Wiedergabe der Vergangenheit, sondern visuelle Rekonstruktionen darstellen.8 Ein Comic „funktioniert“ durch das Zusammenwirken von Wort und Bild: Was das Bild nicht erklärt, wird durch Dialog und Text erklärt und umgekehrt. Davon abgesehen muss auch der Historiker, der in seiner Rekonstruktion der historischen Wirklichkeit dem Prinzip der Überprüfbarkeit gehorchen soll, auf fiktive Elemente zurückgreifen. Dafür kann der Historiker unklare Positionen konkreter benennen und kennzeichnen. Das ist im Comic nur schwierig umzusetzen. Der Comicautor ist mehr oder weniger dazu gezwungen, sich für eine Geschichtsinterpretation – die allerdings nicht der gängigen Meinung entsprechen muss – zu entscheiden. Gleichzeitig besteht natürlich die Gefahr, dass der ggf. von einem Comic vertretene Anspruch auf Authentizität nicht der historischen Wirklichkeit entspricht. Eine solche Täuschung muss nicht absichtlich geschehen. Denn eine historische Persönlichkeit lässt sich zwar relativ einfach abbilden, ihre Darstellung im historischen Kontext ist aber um ein Vielfaches schwieriger, da ihr Umgang darin prinzipiell unbekannt ist. Letztlich ist es allein dem Leser mit seinem jeweiligen kulturellen Hintergrund überlassen, wie er die in Text und Bild dargestellte Geschichte interpretiert. Er kann dabei die Möglichkeit zur nachträglichen und wiederholten Überprüfung nutzen, die ihm das Medium Comic bietet.9 Der Leser verzeiht einem Comic vielleicht auch eher eine historische Ungenauigkeit, als er es bei einem Film getan hätte.

von Tobias Birken
München, März 2019

Mehr zu dem Thema:

Stephan Ditschke: Comic als Literatur. Zur Etablierung des Comics im deutschsprachigen Feuilleton seit 2003, in: Daniel Stein, Katerina Kroucheva, Stephan Ditschke (Hg.): Comics. Zur Geschichte und Theorie eines populärkulturellen Mediums, Bielefeld 2009, S. 265–280.

Bernd Dolle-Weinkauff: Jugurthas zweiter Fall. Die Vermittlung von Geschichtsbildern über Bildergeschichten ist möglich, in: Börsenblatt für den deutschen Buchhandel, H. 20 (1986), S. 654–659. Gerald Munier: Geschichte im Comic. Aufklärung und Fiktion? Über Möglichkeiten und Grenzen des historisierenden Autorencomic der Gegenwart, Hannover 2000. Andreas Platthaus: Die 101 wichtigsten Fragen. Comics und Manga, München 2008. Stefan Wolfinger: Von Karl Marx bis Carl Barx. Comics und Geschichte, Wien 1999 ( = Neue Aspekte in Kultur- und Kommunikationswissenschaft, Bd. 15) James E. Young: The Holocaust as vicarious past: Spiegelman’s Maus and the afterimages of history, Critical Inquiry 24.

Anmerkungen

1) Vgl. dazu besonders Ditschke: Comic als Literatur, S. 265–280.

2) Vgl. Platthaus: Die 101 wichtigsten Fragen. Comics und Manga, S. 13 f.

3) Vgl. Munier: Geschichte im Comic, S. 18.

4) Young: The Holocaust as vicarious past, S. 687.

5) Dolle-Weinkauff: Jugurthas zweiter Fall, S. 654–659.

6) Vgl. Wolfinger: Von Marx bis Barx, S. 78.

7) Ebd., S. 74.

8) Ebd., S. 117.

9) Ebd., S. 73, S. 88.


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